Loewenmut

Das Fanzine für alle Löwenfans und den Rest der Welt

Aus Heft 9: Law & Order

Legislative, Exekutive, Judikative, Medien und Fans

Die vergangene Saison kann durchaus als interessant bezeichnet werden, zumindest was die Beobachtung der Arbeit der Polizei rund um die Stadien angeht.

ZENSIERT:

Bruder Barnabas sprach:

»Ach, Herr Herrmann! In ihrem Büro müssen sich ja die Dankbarkeitsbriefe der Waffenindustrie, vom Sportschützen- und Jagdverband nur grad so stapeln. »Ausführungsbestimmungen« zum neuen Waffengesetz hat er erlassen, der königl. privilegierte Schützenbruder Herrmann. Aber was für oa!

Da wenn amal wieder einer Ihrer Schützenfreunde seine Pistolen unterm Kopfkissen rauszieht, und im Blutrausch über andere herfallt, dann ham Sie mit Ihren »Ausführungsbestimmungen« den Straftatbestand der Beihilfe mühelos erfüllt. Inzwischen weiß man auch: Ihr Lieblingsbuch ist »Die Entdeckung der Langsamkeit«. Und die bayerische Polizei hält sich daran. Wenn ein Verrückter über ein Ansbacher Innenstadt Gymnasium herfällt, da braucht die Polizei elf langsame Minuten! Ein Freiwilliger Feuerwehrler hat inzwischen vor Ort gehandelt.

Aber wenn in Regensburg zwei überforderte Polizisten zwölf Mal auf einen Geisteskranken schießen, davon vier Schuss wie einst beim Jennerwein von Hinten, dann wird gaaanz langsam ermittelt - wenn überhaupt!

Dafür häufen sich die unrühmlichen Prügelauftritte des Amnesty International bekannten Münchner USK. USK heißt: das »Unidentifizierbare Schläger Korps«, dessen Wirken dann von Staatsanwalt und willfährigen Richtern alimentiert wird.

Da kann man nur sagen: Bayerns Bürger, wenn ihr wollt, dass Euch schnell, zuverlässig und effizient geholfen wird, dann ruft's besser glei die Feuerwehr!«

Da wäre zum Beispiel die Deutsche Polizeigewerkschaft, welche durch intensive Lobbyarbeit immer wieder auffiel. Nach Vorfällen im Berliner Olympiastadion wurde umgehend das Verbot von Stehplätzen gefordert. Dass das Berliner Olympiastadion bereits komplett bestuhlt ist, schien niemanden zu kümmern, schon gar nicht die Print- und Onlinemedien, welche mit Schlagzeilen in etwas größerer Schriftart aufzuwarten pflegen. Lieber wird artig applaudiert, wenn nach personalisierten Eintrittskarten und drakonischen Strafen gerufen wird. Die Doppelmoral der Medien zeigt sich auch im Umgang mit Pyrotechnik. Vorberichte werden regelmäßig mit Bildern aus Süd- und Osteuropa oder aber Südamerika untermalt, in denen bengalische Feuer zu sehen sind, und wenn bei einem Spiel in - zum Beispiel der Türkei Pyrotechnik im Einsatz ist, wird dies immer wieder zumindest verniedlicht oder gar noch als Beweis für die tolle Stimmung in diesen Ländern herausgestellt. Passiert so etwas in einem deutschen Stadion, ist jedoch sofort von schweren Ausschreitungen die Rede und der Ruf nach härteren Strafen sofort bei der Hand. Apropos härtere Strafen: Fans vom FC Carl Zeiss Jena wie auch von Greuther Fürth durften letzte Saison die Bekanntschaft mit etwas übermotivierten Beamten aus Bayern machen. Bei Carl Zeiss Jena kam es nach der Rückreise von ihrem Gastspiel in Ingolstadt am Bahnhof in Nürnberg zu Zwischenfällen. Es waren dort Beamte der Bundespolizei, der bayerischen Landespolizei wie auch des USK im Einsatz, um auf umsteigende Fans des FCC zu warten. Übereinstimmenden Augenzeugenberichten zufolge fielen, wie schon so oft, insbesondere USK-Beamte durch provozierendes und unfreundliches Verhalten wie auch übermäßigen Einsatz von Schlagstock und Pfefferspray auf. Selbst Beamte der anderen Polizeieinheiten zeigten Unverständnis für die Reaktionen und »Maßnahmen« des USK; es soll aus diesem Grund sogar um ein Haar zu körperlichen Auseinandersetzungen der Einheiten untereinander gekommen sein. Fanprojekt wie auch Fans wollen nun rechtliche Schritte einleiten. Hervorzuheben in dem Zusammenhang ist aber vor allem auch der Auslöser der Vorfälle: Einige Jena-Fans wollten sich rassistische Gesänge und Pöbeleien einer kleinen Gruppe sogenannter Fans mit eindeutig neofaschistischem Hintergrund nicht mehr länger bieten lassen und es kam wohl zu Rangeleien. In der darauf entstandenen Gemengelage verloren die Polizeibeamten völlig die Übersicht und handelten sichtlich überfordert. Die viel beschworene und und in jeder Sonntagsrede von DFB über DFL bis hin zu Fan/Polizeigesprächen immer wieder eingeforderte Selbstreinigung innerhalb der Fanszene wird wohl nur dann hervor gekramt, wenn es gerade opportun ist, bleibt in der Praxis jedoch weiter unerwünscht. Ähnliches spielte sich beim Pokalspiel der Fürther in München ab. Starke Schneefälle führten dazu, dass viele Fans erst nach Anpfiff des Spiels das Stadion erreichten. Die Kontrollen am Stadion sollen sich dann - wie gewohnt - in die Länge gezogen haben und es kam zu Handgreiflichkeiten. Daraufhin antwortete die Polizei mit Schlagstock und Pfefferspray. Die Auseinandersetzungen zogen sich bis lang nach Abpfiff hin und selbst Offizielle der Fürther wie auch Unbeteiligte kamen zu Schaden. Der Aufschrei in den Medien war diesmal recht groß. Nachdem die üblichen Verdächtigen wie gewohnt einseitig und parteiisch über »Aggressive UltraFans« berichteten und den Polizeibericht 1:1 übernahmen, wurden mehr und mehr kritische Stimmen laut. Insbesondere dass sich in den Leserbriefen und Kommentarspalten der Zeitungen im Internet unzählige Fans - teils Familienväter und Rentner - mit wütenden Kommentaren zu Wort gemeldet hatten, deutete schnell darauf hin, dass die Polizei hier wohl zum wiederholten Mal jegliche Verhältnismäßigkeiten überschritten hat. Auch hier wird man den Rechtsweg beschreiten. Dass Beamte, die in diesen Fällen eventuell unrechtmäßig gehandelt haben, zur Rechenschaft gezogen werden, scheint jedoch leider auch weiterhin fast unmöglich, denn noch immer wird u.a. in Bayern mit teils haarsträubenden Argumenten eine - und sei es anonyme Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte im Einsatz von diesen selbst und von politischer Seite abgewehrt. »Die Zahlenverschlüsselung fördert in der Begegnung mit den Bürgerinnen und Bürgern die persönliche Beziehung nicht, sondern vermittelt den Eindruck von Distanz und Anonymität« durfte man erst kürzlich in einer Stellungnahme des Landes Niedersachsen lesen. Schwarz Vermummte mit heruntergeklapptem Visier am Helm dagegen scheinen zur Kommunikation geradezu einzuladen und sind deshalb als deeskalierende Maßnahme immer gern gesehen. »Es wird davon ausgegangen, dass Polizeibeamte nach Recht und Gesetz handeln« heißt es von der Polizeigewerkschaft in Brandenburg. Klingt toll, aber was dann, wenn es doch zu Verfehlungen kommt? Dann heißt es umgekehrt ganz schnell, dass man ein Verfahren leider einstellen müsse, da Straftäter nicht eindeutig identifizierbar seien. Die Ermittlungen anlässlich der Prügeleien der Staatsmacht beim Amateurderby 2007, gegen die die Löwenszene noch heute juristisch ankämpft, sind genau mit dieser Begründung schon mehrmals eingestellt worden. Für Fans, und nicht nur für sie, gilt dagegen der Generalverdacht. Die Datei »Gewalttäter Sport«, in den Medien als Hooligan-Datei bezeichnet, ist hingegen mitt- lerweile höchst umstritten. Ungefähr 11.000 Einträge sollen sich in ihr befinden - Einträge, die selbst nach Einstellung eines eventuellen Verfahrens nicht gelöscht werden. Dass Eintragungen in diese Datei offenbar ziemlich willkürlich geschehen, ist einer der immer wieder hervorgebrachten Kritikpunkte. Es kursieren Geschichten, in denen es schon ausreichte, besoffen einen Mülleimer umzurennen oder sich im Umfeld eines Spiels in den Büschen zu erleichtern, um sich einen Eintrag zu sichern. Allgemein kann man wohl festhalten, dass Nichtigkeiten ausreichen, um in die Datei aufgenommen zu werden. Wer - mit solch einem Eintrag gesegnet - dann in den Urlaub fliegen oder aber auf Dienstreise sich gen Ausland begeben will, auf den wartet am Flughafen eine böse Überraschung. Bereits im Mai 2008 wurde die Datei vom Verwaltungsgericht Hannover für rechtswidrig erklärt, was im Dezember 2008 dann vom Oberverwaltungsgericht Lübeck bestätigt wurde. Dass im April diesen Jahres die fehlende rechtliche Grundlage der GewalttäterSport-Datei erneut kritisiert wurde, dies- mal vom Verwaltungsgericht Karlsruhe, ging als scheinbarer Paukenschlag durch die Medienlandschaft. Im Hinblick auf die anstehende WM in Südafrika und die damit natürlich zu erwartenden Ultra-Hooligan-Horden beim Public Viewing in Deutschland war es da natürlich höchste Zeit zum Handeln. Und so beschloss der Bundesrat, knapp bevor man sich dem schwarz-rot-geil hingab, am 04.06. einer Verordnung des Bundesinnenministeriums zuzustimmen, welches die »Hooligan-Datei« auf eine rechtliche Grundlage stellt, nebst anderen Dateien wie beispielsweise der Datei »International agierende gewaltbereite Störer« (IagSt) oder der sogenannten Anti-Terror- Datei. In der Drucksache 329/10 lässt sich gut herauslesen, wie weit die Datensammelwut der Behörden mittlerweile geht. Es dürfen unter anderem folgende Daten gespeichert werden: Familienname, Vornamen, Geburtsnamen, sonstige Namen wie Spitznamen, andere Namensschreibweisen, andere Personalien wie Alias-Personalien, Familienstand, akademischer Grad, erlernter Beruf, ausgeübte Tätigkeit, Schulabschluss, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort einschließlich Kreis, Geburtsstaat, Geburtsregion, Volkszugehörigkeit, aktuelle Staatsangehörigkeit und frühere Staatsangehörigkeiten, gegenwärtiger Aufenthaltsort und frühere Aufenthaltsorte, Wohnanschrift, Sterbedatum, Lichtbilder, Personenbeschreibungen wie Gestalt, Größe unter Angabe der Art ihrer Feststellung, Gewicht, scheinbares Alter, äußere Erscheinung, Schuhgröße, besondere körperliche Merkmale, verwendete Sprachen, Stimmund Sprachmerkmale wie eine Mundart, verfasste Texte, Handschriften Angaben zu Identitätsdokumenten wie Personalausweis, Reisepass und andere die Identitätsfeststellung fördernde Urkunden (Geburts-, Heirats- oder Sterbeurkunde), Blutgruppe, Zahnschemata, Bekleidung, DNA-Identifizierungsmuster, Aufenthaltsstatus und Aufenthaltsanlass, Beziehungen zu Personen, Gruppenzugehörigkeit, personengebundene Hinweise wie »Freitodgefahr«, »bewaffnet«, «gewalttätig«, »Explosivstoffgefahr«, bestehende Auflagen oder Verbote wie Hausverbot, Kontaktverbot, Meldeauflage, Betretens- und Aufenthaltsverbot, Ausreiseuntersagung, Pass- und Personalausweisbeschränkung. Die schwammige Formulierung der Verordnung wie auch der schier grenzenlose Datenhunger gehören mit zu den Hauptkritikpunkten, die der renommierte Rechtsanwalt Udo Vetter in seinem law blog im Internet aufführt. Um die dringend notwendige Kennzeichnungspflicht für Beamte ist es mittlerweile wieder sehr ruhig geworden, die Kritik an der neuen Verordnung betreff Datensammlung scheint im WM-Trubel unter- zugehen. Es darf spekuliert werden, dass man dies durch die Terminierung durchaus so geplant hat. Es verstärkt sich der Eindruck, dass man versucht, Fans zu stigmatisieren und durch eine Politik der Härte bei gleichzeitiger Ignoranz gegenüber eigenen Fehlern für eine scheinbare Ruhe zu sorgen. Artig Spalier stehen dabei diejenigen, welche immer wieder gerne als die angebliche Vierte Gewalt gelten. Durch die Maßnahmen der Polizei sind beileibe nicht nur wir als Fußballfans betroffen, die Gier nach Daten sowie der teils paranoid wirkende Kontrollwahn betreffen alle Bürger, was leider von vielen, die mitbrüllen im Geschrei nach härteren Strafen und schärferen Kontrollen, nicht erkannt wird.

Link-Sammlung:¹
Fanrechtefonds: fanrechtefonds.de
law blog: lawblog.de/index.php/archives/2010/06/06/eine-schublade-fur-jeden-von-uns
Zentrale Informationsstelle / Sporteinsätze, ZIS: polizei-nrw.de/lzpd/wir_ueber_uns/zis

 


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