Loewenmut

Das Fanzine für alle Löwenfans und den Rest der Welt

Aus Heft 7: Stadionverbote – nein danke

Millhouse und Tobo, zwei Mitglieder der Cosa Nostra 1860, berichten über die Auswärtsfahrt nach Fürth aus zwei Perspektiven. Der eine (Millhouse) hat Stadionverbot, der andere (Tobo) nicht.

Millhouse: Der Wecker klingelt. »Boys in blue« von den Vorstadtkönigen. Innerhalb kürzester Zeit bin ich wach. Wie immer wenn Sechzig spielt. Jetzt nur noch irgendwie den Vormittag überstehen, dann gehts auf nach Fürth! Wenn wir nur nicht immer so schlecht ausschaun würden gegen bayrische Mannschaften, es wäre einfach zu schön der Nürnberger Vorstadt den Aufstieg zu versauen. Wir werden die Mannschaft schon zum Sieg brüllen.Wir? Die Fans von Sechzig München, das Herzblut des Vereins. Ich sage in solchen Momenten immer noch wir, obwohl ich in einer Kneipe irgendwo anders sitzen werde, zusammen mit den anderen Stadionverbotlern. Bald ist es 1 Jahr her, dass ich das letzte Mal ein Stadion von innen gesehen habe. Zumindest mit der Aktion X-Tausend ein geiles letztes Mal, auch wenn es schönere Momente gibt, als zu »You will never walk alone« aus 5000 Kehlen ein Schreiben zu bekommen, das einem genau dieses Gänsehautgefühl für das nächste Jahr nimmt. »Ein Jahr? Das ist schon zu packen!« dacht ich mir. Dann Amateurderby, Wienerwald, Ingewahrsamnahme, der Rest ist bekannt. Als »Wiederholungstäter« gleich nochmal 1,5 Jahre drauf. Wie man durch dumm vor dem Wienerwald stehen zum »Wiederholungstäter« werden kann, weiss ich zwar immer noch nicht, meinem Verein fahr ich trotzdem hinterher, wann immer es geht.

Tobo: Irgendwie hat sich das alte Gefühl, diese Vorfreude, die einfach zum Auswärtsfahren dazugehört, sich in den letzten Monaten stark verändert. Unter die vorfreudigen Gedanken hat sich ein neues Gefühl der Sorge gemischt, nicht die, ob Sechzig verliert, sondern die Sorge, ob alles glatt läuft, ob die Polizei nicht wieder an den Haaren herbeigezogene Gründe verwendet, um Stadionverbotsempfehlungen auszusprechen. Die Angst spielt nicht nur auswärts, sondern auch zuhause mit: Nicht nur das Wissen, dass man jederzeit der nächste sein könnte, wenn es der Zufall so will, sondern auch die Gedanken an die Stadionverbotler, die draussen vor den Toren des Stadions warten. Wenn es schlecht läuft, wandern sie weit über die Dauer des Spieles hinaus in Gewahrsam. Und das alles nur, weil sie sich nicht vertreiben lassen, weil sie weiter immer dabei sind, wenn ihre, wenn unsere große Liebe spielt. Man muss einfach den Hut vor den Jungs ziehen, die trotz des Stadionverbots immer dabei sind und ihre gesamte Freizeit dem TSV widmen. Sei es beim Malen von Spruchbändern, Choreos oder bei andern Gruppenaktivitäten.

Millhouse: Mittlerweile ist es fast Mittag. Zeit sich langsam auf den Weg zum Hauptbahnhof zu machen. Es stehen schon locker 100 Mann vorm Burger King, hätte gar nicht gedacht, dass heute so viel los ist. Gut für die, die nicht ins Stadion dürfen. Zugfahrten, besonders innerhalb Bayerns, bedeuten viel Polizei. Und wer ohne Karte und Chance zum Spiel zu gehen anreist, wird sofort in die Schublade »gewaltbereit« gesteckt. Sie verstehen einfach nicht, dass man wegen den Jungs und Mädels mitfährt, die dort oben stehen. Mit denen man die ganze Woche über Spruchbänder, Auswärtsfahrten und den Verein fachsimpelt. Mit denen man aufs Wochenende hinfiebert, fast täglich telefoniert, sich trifft. Alles dreht sich ums nächste Spiel. Nicht mitzufahren kommt einem da nicht in den Sinn. Schnell trifft man oben andere SVler, die genauso denken. Coole Sache, es gibt nichts schlimmeres, als alleine in einer Kneipe zu sitzen um das Spiel anzuschauen.

Tobo: Es ist schon komisch, als ich zum Burger King komme und die anwesenden CNler begrüsse, zähle ich ungefähr gleich viele Stadionverbotler wie Nicht-SVler. Natürlich kennt man die Zahl 28 und ihre Bedeutung, aber wenn man die Leute vor sich sieht, ist es noch mal ein ganz anderes Gefühl! Vorallem, weil gezielt die führenden und aktivsten Leute bestraft wurden. Irgendwie versucht man den Jungs (und sie sich natürlich selber auch) trotzdem das Auswärtsfeeling zu geben, so entwickelt sich die Fahrt und bei Heimspielen der Streetworkbus immer mehr zu Highlight für alle! Im Stadion ist es sowieso nicht mehr wie früher, es fehlt einfach was!

Millhouse: Im Zug dann fast nur bekannte Gesichter, mittlerweile wohl ein paar hundert Löwenfans, die langsam in Feierstimmung kommen. Wer es noch nicht am Bahnhof gemacht hat, macht sich jetzt die erste Hoibe auf. Die Polizei gibt bald die Versuche auf, das Rauchen und das Tapezieren des Zuges mit Aufklebern zu stoppen. In Augsburg und Nürnberg wird umgestiegen, die Züge werden voller, die Alkoholvorräte leerer und die Schlachtgesänge lauter. Die Anzugträger in der ersten Klasse, in der wir Platz genommen haben, sind davon sichtlich nicht begeistert. Den beiden Polizisten, die sich wahrscheinlich noch nicht mal rasieren müssen, ist es egal. Geiles Gefühl, die Sechzig-Rufe durch fremde Bahnhöfe hallen zu hören. Auch die Gesichter der sichtlich schockierten Passanten rufen einem ein Lächeln ins Gesicht. Dann lautstarke Ankunft in Fürth. Die Gesänge verstummen langsam, als man die Massen an USKlern sieht, die uns offensichtlich etwas mitteilen wollen. Mist! Bahnhof gesperrt, alles muss in die bereitgestellten Shuttlebusse. Für die »Sektion Stadion« heisst das, dass sie auf den Marsch durch die Innenstadt verzichten muss. Uns bringt das in größere Probleme. Die Polizei gilt in Fürth nicht gerade als verständnisvoll, jetzt heisst es schnell wegkommen, bevor wir den halben Tag in der Sammelzelle verbringen dürfen. Unsere »Szenekundigen Beamten« sind nicht zu sehen, ansonsten hätte man uns wohl schon lange rausgezogen. Glücklicherweise ist es kein Problem zwischen den Bussen durch schnell in eine Nebenstraße abzuhauen. Dann in einen Hinterhof, erstmal eine rauchen und warten bis sich der Trubel verzogen hat. Der Weg in die Innenstadt dann über Seitenstraßen, zweimal schnell weg von patrollierenden Polizeiautos, man kommt sich vor wie ein Schwerverbrecher, dabei sucht man nur eine coole Kneipe, um sich das Spiel anzuschauen. Und wird auch bald fündig. Die älteren Männer mit grün-weissen Schals schauen etwas verwirrt als 15 Sechzgerfans sich in ihrer Kneipe breit machen. Wahrscheinlich fragen sie sich, wieso wir nicht im Stadion sind. Ansonsten alles perfekt. Raucherclub, Beamer, guads Bier und genügend Möglichkeiten was zu futtern in der Nähe. Nur das Spiel passt leider nicht ins Bild. Ausgerechnet unser Null-Tore-Reisinger schiesst uns fast im Alleingang ab, am Ende gewinnt Fürth mit 3:1. Die Stimmung in der Kneipe natürlich alles andere als gut. Am lautstarken Support aus dem Gästeblock konnte man sich trotzdem nicht satt hören und sang lauthals mit, scheissegal dass die Mannschaft es nicht hören kann. Den Rest der Kneipe hat das endgültig verwirrt, aber zumindest für vereinzelte »Kleeblatt Fürth«-Rufe reicht es dann doch. Auch schön dass im am Block trotz Zaunfahnenverbot eine »Freiheit für die Jungs«-Fahne flattert, irgendwie ist man dann doch im Stadion vertreten.

Tobo: Der traurige Höhepunkt einer jeder Auswärtsfahrt ist der Moment, indem sich die Ausgesperrten verabschieden müssen und der Haufen CNler immer kleiner wird. Wenn sich statt 60 Leuten nur noch 35 Gruppenmitglieder auf den Weg zum Stadion machen. Wir steigen derweil in den Bus ein, motiviert und in der Hoffnung unsere Mannschaft mal wieder siegen zu sehen. Als wir dann das Nürnberger Nahverkehrsmittel verlassen, gibts gleich den ersten Ärger! Die Cops mustern jeden genau und lassen einige gleich in Gewahrsam wandern. größtenteils unberechtigt z.b. aufgrund einer blutigen Hand oder Schmierereien. Bei der »gemeinschädlichen Sachbeschädigung« hätte locker eine einfache Personalienaufnahme gereicht und die darauffolgende Anzeige per Brief. Das die blutige Hand dadurch enstand, dass der Betroffene von einem USKler am Fürther Bahnhof beim Aussteigen gegen ein Metallschild geschubst wurde und er sich die Verletzung beim Abfangen dieses Schubsers zuzog, war natürlich kein Argument! Aber im Polizeistaat Bayern ist man ja nichts anderes gewöhnt! Dann wurde der Fürther Gästeblock geentert und man konnte einen trotz sportlicher Misere ausverkauften Stehplatzblock bewundern! Trotz Verbotes fanden einige Zaunfahnen den Weg in den Block, es gibt immer Mittel und Wege. Diese wurden auch beim Zaunsturm zum Einlauf der Mannschaften präsentiert und anschließend aufgehängt! Die Stimmung im Block war im Gegensatz zu den andern Spielen, seitdem die Stadionverbote ausgesprochen wurden, hervorragend, bei einem Spiel gegen Fürth ist immer Motivation vorhanden. Maik gab auf dem Zaun richtig Gas und der Block war richtig am Kochen! Viele, viele Pogos wurden angestimmt und es ging richtig rund! Unsere Mannschaft war dagegen genau das Gegenteil vom lautstarken Löwenblock, sie zeigte eine schwache Leistung gegen nicht gerade überragende Fürther. Gegen Ende des Spiels wurde die Hymne auf nicht nur diese, sondern auch die letzten beiden Saison angestimmt. TSV wunderbar, jedes Spiel ist doch klar, Zweite Liga tut schon weh, scheissegal es wird schon gehen! Das Ganze wurde bis 30 Minuten nach Spielende von mehr als der Hälfte der angereisten Löwenfans im Gästeblock gesungen! Auf eine beeindruckende Art zeigten wir unsere Liebe zu Weiß-Blau.

Millhouse: Nach dem Spiel auf Richtung Stadion, sich mit dem Rest der Jungs für die Rückfahrt treffen. Auch ein bisschen Präsenz in der fremden Stadt zeigen, das Verhältnis zu der Fürther Ultraszene ist alles andere als gut. Auf dem Weg denkt man sich mal wieder, wie unsinnig die ganze Stadionverbotspraxis ist. Während die Leute im bestens überwachten Stadion auf das Ende der Blocksperre warten, marschieren wir alleine durch die Fürther Innenstadt. Die meisten Vergehen, auf die ein SV folgt, finden eh nicht im Stadion statt und können somit logischerweise auch nicht mit einem Betretungsverbot verhindert werden. Prävention um die Sicherheit zu gewährleisten? Absoluter Bullshit! Stattdessen hat man frustrierte Fans, denen verboten wird ihrer Leidenschaft nachzugehen. Und will man den Leuten verübeln, dass sie sich, ohne Perspektive in den nächsten Jahren wieder ein Stadion zu betreten, andere Betätigungsfelder an den Spieltagen suchen? Dass sie, wenn sie schon nicht singend, Fahnen schwenkend im Block stehen auf einem anderen Weg versuchen, ihre Stadt würdig zu vertreten? Aber das spielt im Moment keine Rolle. Die Jungs aus dem Stadion verspäten sich, wurden eingekesselt. In der Innenstadt wird die Polizeipräsenz auch immer höher. Gerüchte über Mobbewegungen machen sich breit, das übliche Gequatsche halt. Plötzlich blitzen Polizeilichter auf und Einsatzwägen fahren auf uns zu. Personalienfeststellung! Schnell merken die USKler, dass wir Stadionverbot haben. Deutlich kann man sehen, wie sie auf ihren vorgedruckten Bögen »Kategorie C« ankreuzen. Damit sind wir im Polizeijargon wohl mal wieder »aufgefallen«. Eine Teufelsspirale ohne Ende. Wer Stadionverbot hat, gilt als gewaltbereit. Wer als gewaltbereit gilt, rückt in den Fokus der Polizeieinsätze und man hat das Gefühl die nächste Ingewahrsamnahme nebst neuem SV steht schon wieder kurz bevor. Nach Verlassen des Gästeblocks wieder der übliche Polizeiterror, hysterische Zivis und hektische Grüne! Der ganze Haufen wurde dann von geschätzt doppelt soviel Schnittlauch erstmal wieder während des Wartens auf den Bus zum Bahnhof eingekesselt. Bei der Ankunft am Bahnhof wieder das uebliche Spiel, man wird von der Polizei in Empfang genommen und fast schon mit Einzelbegleitung zum Gleis gebracht. Hier trafen wir dann wieder auf die ersten Stadionverbotler, die vor ihrem Abend berichteten. Als diese dann einzeln von Team Green bei uns abgegeben wurden, fuhren wir per Zug nach Nürnberg. Hier teilte sich der Haufen dann auf, die einen blieben bis zum nächsten Morgen in Nürnberg um noch Feiern zu gehen, der fertige Rest fuhr gleich direkt nach München. Abschliessend bleibt nur eins zu sagen, trotz willkürlicher Polizeiaktionen, wiedermal eine Geile Auswärtsfahrt! Freiheit für die Jungs! Nach einiger Zeit gurkt man uns zum Bahnhof, zu dem bereits wartenden Rest, der mittlerweile auch das Stadion verlassen durfte. Natürlich nicht ohne davor noch einmal vor den Zivis schaulaufen zu müssen. Immer bereit, ihre Datei der Gewalttäter zu erweitern. Das USK kann ihnen nicht einmal sagen, weswegen wir eigentlich mitgenommen wurden. Spielt wahrscheinlich auch keine Rolle. Endlich wieder bei den Jungs will man erst mal alles wissen, was man vor dem Fernseher nicht mitbekommt:«Wie war die Stimmung? Fürth? Spruchbänder? Ärger?« Danach beruhigt man sich seit Stunden zum ersten Mal und zieht trotz allem Ärger das Fazit, dass es sich doch gelohnt hat mitzufahren. Zu Hause vor dem Fernseher werden wir uns einfach nie wohl fühlen.

         Millhouse &Tobo

 


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