Loewenmut

Das Fanzine für alle Löwenfans und den Rest der Welt

Aus Heft 5: Eine kleine Weihnachtsgeschichte

Draußen schneit es leise, die Automobile bewegen sich nicht so hektisch wie sonst, es kehrt Beschaulichkeit ein, Ruhe fast; ein altmodischer Dichter würde wohl sagen »Oh, wie weihnachtet es doch in der schönen Stadt«. Ich bin ja kein sentimentaler Mensch, wirklich nicht. Nur – ich kann mich nicht recht konzentrieren. Der Chefredakteur will unbedingt einen Artikel zum Thema »Jobmaschine WM – was bedeutet das für uns Löwenfans?«. Was für eine saudumme Idee. Der Kerl muss irgend etwas schlechtes getrunken haben!

Ich setzt mich an den Computer und tippe schon mal die Überschrift. Irgend etwas wird mir schon einfallen. Doch meine Gedanken driften ab. Berge. Schneebedeckte Berge, Winterurlaub. Vor mir taucht ein dicker Bernhardiner auf und grinst mich an. Er geht auf mich zu, hält mir sein Fass vor die Nase. So ein Quatsch. ich zwinge mich, an die »Jobmaschine WM« zu denken. Das wird wohl mein kürzester Artikel. Mehr als »für'n A****« fällt mir nicht ein.

Der Tee schmeckt nicht. Klar – der Bernhardiner, das Fass – da muss Rum rein. ich stehe also auf, gehe rüber zum Tengelmann. Eine Menschenschlange steht bis vor die Ladentür an. Ich frage einen älteren Herrn, was denn los sei. »Da vorne bei der Wursttheke ist jemand mit dem Einkaufswagen gegen eine Palette Lebkuchen geknallt, und fünf andere Kunden sind aufgefahren. Sieht böse aus.« Hmm, das kann ja Stunden dauern. Soll ich jetzt meinen Tee ohne Rum trinken? Nein, das werde ich nicht tun. Ich beschließe, auf das Tollwood zu gehen. Zettel und Stift habe ich ja einstecken, ich kann genauso gut dort schreiben. Falls mir was einfällt, natürlich.

Auf der Theresienwiese angekommen, weiche ich einem Weihnachtsmann aus (»Falsche Farben! Ich will einen weiß-blauen, wenn schon!«) und gehe in das große Zelt hinein. »Wissen Sie, wie Ihre Aura aussieht?« – »Bitte?« – »Wir fotografieren Ihre Aura, wenn Sie wollen. Sechzig Euro.« – »Nein Danke.« – Wir hätten auch Duftkerzen, echte Kinderarbeit aus Indien!« – »Nein nein. Ich suche eher einen Glühweinstand.« – »Im vorletzten Gang neben den Klangschalen.«

Ich lege einen Zehner auf die Theke und bekomme einen Plastikbecher voll schönem, heißen Glühwein. Ich frage nach dem Wechselgeld. Der Verkäufer schaut mich dumm an und sagt, »da sind zwei Euro Pfand drauf«. Ich beschließe, mir die Laune nicht verderben zu lassen.

»Schmeckt fein, wie bei Aldi« sagt jemand neben mir. Ich muss lachen, drehe mich um …  – »Grüß dich, Paul! Was machst du denn hier, Geschäfte?« – »Nein, nein, ich trinke nur einen Glühwein und denke über Weihnachten nach. Ich werde da immer sentimental, weißt du.« – »Und du träumst von Bangkok, oder?« – »Nein, ich denke drüber nach, was ich meinen Lieben schenke.« – »Welchen denn, du bist doch überzeugter Single?« – »Na, den Löwenfans beispielsweise. Irgendwas besonderes.« – »Hmm. Eine neue Blockfahne vielleicht«, schlage ich vor. – »Au ja, das ist eine gute Idee. Mit einem Weihnachtsbaum drauf, in grün-gold!« – »Paul!!! Nein. Außerdem bestellst du die ja eh wieder in China, die kommt bestenfalls zum Saisonende an, und womöglich ist die dann rot; denk an die blöden Plüschlöwen.« – »Das wirst du mit noch vorwerfen, wenn wir beide tot sind. War doch ein gutes Geschäft.« – »Jaja. Vergiss es. Und einen Spieler aus China haben wir auch schon, denk nicht mal daran.« – »Ich hab eine bessere Idee. Schau mal …«

Der Bangkok-Paul zieht ein Polaroidfoto aus der Tasche. Das erste Mal im Leben bin ich wirklich beeindruckt. Das ist wirklich ein tolles Geschenk. Ich bestelle zwei Paddy. »Auf dich Paul, und auf deine Super Idee.« Wir trinken den Whiskey, und ich merke, wie auch mich die weihnachtliche Stimmung durchdringt. Den WM-Artikel werde ich absagen, aber vielleicht schreibe ich ein weihnachtliches Löwen-Gedicht, als mein Geschenk an die Fans sozusagen …

»Ist doch affenscharf, blaue Uniformen für die Sanitäter im Stadion – und die Allianz sponsert sechzig Prozent!«

Jetzt hat er's verraten. Typisch Paul. So ein Depp.

JK


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